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Zur Kehrseite des Spielers

Der Spieler blickte aufmerksam auf das Brett, auf dem seine Figuren gegen die des Wachmanns anstanden, Felder kontrollierend, die sie in einem nächsten Zug vielleicht würden kapern können. Er sah, wie der Wachmann aufstand; wie er zwischen den anderen Partien umherzuwandern begann: das entsprach nicht wirklich der Regel; doch hatten die beiden sich beiseite gesetzt, ohne an dem Turnier teilzunehmen, sie taten immerhin, als ob. Der Wachmann beugte sich über ein Brett, ohne etwas zu sagen.

nachhause Der Spieler lehnte sich zurück. Ist es möglich, dachte er, dass etwas von alledem, was in einer solchen Partie entschieden wurde, an die Wirklichkeit zurückfiel?

Er sah einen jungen Mann sich erheben, nach einer Flasche greifen, sie öffnen. Die Art der Geste hatte der Spieler vergleichbar schon sehr oft gesehen: so schien ihm das eine Regel. Mit einer Syntax, einer Geometrie in ihrem Aufbau, mit einer Botschaft in dem sie begleitenden Blick, die etwas vom Grad der Müdigkeit und des Durstes verrieten.

Der Spieler hatte hin und wieder ein kleines Programm geschrieben. Oft bestand es nur aus einer kleinen Reihe einzelner Funktionen, die nach einem bestimmten Muster vollzogen wurden, gültig für die Dauer einer Schleife. Am Ende jeder von ihnen stand ein Wert, der sich an eine andere Prozedur übergab. Alles verblieb im Rahmen derselben Regel, die fest codiert war, und der Satz, der zum Schluß auf dem Bildschirm erschien und vorgab, eine Frage des Spielers zu beantworten, glich einer Antwort. Es war ein Spiel, ein Selbstläufer, und sollte es sein.

In den Zügen hier lagen Chaos und Ordnung dicht beieinander. Hin und wieder gab es eine einzige richtige Antwort, das war Ordnung. Hin und wieder entzog sich die Antwort dem Blick des Spielers, und er sah kein Ende mehr. Der Verdacht, es gäbe sie nicht, ließ ihn traurig aufblicken, über die Spielfläche hinweg zu den anderen Tischen, wo konzentrierte Mienen an nichts anderes zu denken schienen.

Zu den Tagebüchern der Goncourt's Dabei überblickte er die Absurdität dieses Orts. Sie befanden sich in der Eingangshalle eines Freizeitzentrums. Gleich nebenan, in einem andern Saal, fand ein Reggae-Konzert statt, dessen Besucher hin und wieder herüberkamen, durstig, mit verrauchten Gesichtern, aufgepeitscht von einer ganz anderen Stimmung dort drin, mit mitleidigen Blicken hin zu den Spielern, die sich nicht stören ließen.

Der Wachmann blieb vorne stehen; er schien einen Tisch gefunden zu haben, der ihm gefiel. Etwas weiter hinten, zwischen den Konzertgästen, stand die Journalistin, die mit dem Wachmann befreundet war – sie dachte nicht ans Spiel; sie hielt eine Flasche Bier in der Rechten. Wessen Syntax hatte hier Geltung? Hier, auf dem Spielbrett des Spielers standen Turm, Springer, Dame in solch einleuchtender Form zueinander, dass der Spieler ratlos war. Die Bewegungen der Konzertgäste gingen ungezwungen an ihm vorbei, die Tournierteilnehmer bewegten sich überhaupt nicht. Was hätte er ziehen sollen?

Jeder Zug hätte ohne Ziel von dieser Stellung fortgeführt. Er sah es dem Wachmann an, dass er ihn vergessen hatte. Und die anderen Spieler, die den Atem anzuhalten schienen, wirkten in ihrer vollkommenen Reglosigkeit zwischen den musikalischen Gästen derart ineinander verzahnt, dass eine Bewegung von ihnen, ein Wort, wie eine Kettenbewegung durch alle Partien sich hätte forttragen müssen und das Turnier beenden.

Er lächelte. Das Spiel war aus; er erhob sich, beachtete das Brett schon gar nicht mehr; draußen fuhr ein Wagen vor, er ging daran vorbei und schlug sein Revers hoch, es war kalt.

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Externe Links zur Spieltheorie:
Das Gefangenendilemma (Torsten Meyer)

Gefangenendilemma (Tobias Thelen)

Geschichte der Spieltheorie

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